„Die Menschen aus dem Vergessen reißen“

17. Jan 2024

Schüler:innen des Hariolf-Gymnasiums auf den Spuren der Ellwanger Stolpersteine

In diesem Jahr richtet das Hariolf-Gymnasium die zentrale Veranstaltung zum Nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Ellwangen aus. Seit 1996 findet dieser Tag am 27. Januar statt, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz im Jahre 1945. Im Vorfeld beschäftigen sich Schüler:innen des HGs mit den Geschichten und Lebensumständen von Ellwanger Opfern. Für viele dieser Opfer finden sich über die ganze Stadt verstreut Stolpersteine, also kleine im Boden versenkte Gedenktafeln.

Ein wichtiger Teil der Vorbereitungen für das Projekt war eine Stadtführung durch Peter Maile von der Stolpersteininitiative Ellwangen, die sich mit dem Gedenken an Ellwanger Opfer des Nationalsozialismus beschäftigt. Am 12. Januar versammelten sich dazu Schüler:innen des Hariolf-Gymnasiums zusammen mit ihren Geschichtslehrkräften am Friedhof St. Wolfgang. Begleitet wurde die Veranstaltung zusätzlich von Karsten Dambacher, Sachgebietsleiter Soziales und Sport bei der Stadt Ellwangen. Maile zeigte der Gruppe, wo in Ellwangen die SS-Kaserne war, wo die Offiziere gewohnt haben, spricht von Paraden und Militärumzügen der SS in Ellwangen, davon, dass es auch hier eine große Ortsgruppe der NSDAP gab und sogar ein Nebenlager des KZ Dachau. Ihm ist es wichtig, anschaulich zu vermitteln, dass es auch in der Ellwanger Stadtgeschichte ein düsteres Kapitel gegeben hat, das nicht verdrängt werden darf: „In Ellwangen hat es damals alles gegeben, was es auch in Deutschland sonst gegeben hat.“ Und deshalb, so Maile, brauchen wir die Ellwanger Stolpersteine, damit wir nie vergessen, „was nie wieder sein darf“, damit die Steine „die Menschen aus dem Vergessen reißen.“

Die Schüler:innen wurden während des nachdenklichen Ganges zu verschiedenen Stolpersteinen geführt, zunächst zu dem, der an Max Reeb erinnert und vor dessen ehemaligem Wohnhaus zu finden ist: Ein tief im katholischen Glauben verwurzelter Kirchenmaler, der aufgrund politischer Äußerungen gegen die NS-Ideologie denunziert und schließlich verhaftet wurde, führte Maile aus. Auch der Gedenkstein, der an das Schicksal von Hilda Müller erinnert, die im Zuge der NS-Krankenmorde („Aktion T4“), also der systematischen Ermordung von kranken und behinderten Menschen, getötet wurde, wird von der Gruppe besucht. Die geschichtsinteressierten Schüler:innen kamen dem Ellwanger Marktplatz immer näher und machten schließlich an Stolpersteinen von Mitgliedern der jüdischen Familie Levi in der Schmiedstraße Halt; Maile berichtete vom Schicksal der Familie, mit deren Nachkommen er heute in sehr gutem und freundschaftlichem Kontakt steht.

Die Eindrücke, die sie gesammelt haben, nehmen unsere Schüler:innen mit in die weitere regional-geschichtliche Projektarbeit: Zusammen mit ihren Geschichtslehrkräften wollen sie exemplarisch die Schicksale und Lebensgeschichten von Max Reeb, Hilda Müller und Eduard Tischberger (noch ohne Stolperstein) recherchieren und für eine Präsentation im Rahmen der Gedenkfeier, die am Freitag, 26. Januar, um 11.15 Uhr im Forum stattfindet, medial aufbereiten.

Insgesamt gibt es international mittlerweile mehr als 100.000 Stolpersteine: „Das Legen des Steins“, so Peter Maile, „ist ein kurzer Akt; aber die Erinnerung und das Gedenken, die dadurch ausgelöst werden, geben diesem Menschen Würde zurück.

Text: Tobias Bartsch

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